Im März 2024 wurde die „alte“ Grunerstraße in Berlin-Mitte endgültig stillgelegt und entwidmet, was den Weg für neue archäologische Grabungen freimachte. Diese umfassen nun die letzten noch unerschlossenen Bereiche des zukünftigen Quartiers und bieten wertvolle Einblicke in die Geschichte Berlins. Seit Herbst 2019 laufen die Ausgrabungen in diesem Gebiet, die bis Ende 2025 abgeschlossen sein sollen. Auf einer Fläche von rund 22.000 Quadratmetern, hauptsächlich nördlich und südlich der Grunerstraße, wurden bereits über 5.000 Befunde und 600.000 Funde freigelegt – von der Urgeschichte bis in die jüngste Vergangenheit.
Zu den spektakulären Entdeckungen zählen unter anderem die Reste eines Bohlenweges aus der Zeit der urkundlichen Erwähnung der Stadt zwischen 1230 und 1240 sowie monumentale Überreste eines der ältesten Elektrizitätswerke Berlins aus dem Jahr 1889, die großes öffentliches Interesse geweckt haben.
Berlins Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler betonte die Bedeutung dieser Funde: „Die zahlreichen Entdeckungen bieten tiefe Einblicke in die Entwicklung und das Leben in den engen Altstadtquartieren, die bis in die 1930er Jahre bestanden. Die Auswertung dieses reichen archäologischen Schatzes wird noch Jahre dauern, um die Funde auch für ein breites Publikum verständlich zu machen. Einige historische Reste wurden bewusst im Boden belassen, um sie in Zukunft über sogenannte Archäologische Fenster für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Christoph Rauhut, Landeskonservator, fügte hinzu: „Die Grabungen am Molkenmarkt liefern kontinuierlich neue Erkenntnisse aus fast 800 Jahren Stadtgeschichte und zählen zu den bedeutendsten Projekten der aktuellen Berlin-Forschung. Es ist erfreulich, dass die Bedeutung dieser Arbeiten auch in diesem Sommer durch den Besuch des Senators vor Ort gewürdigt wurde. Mittlerweile haben wir konkrete Pläne, wie die archäologischen Fenster in die anstehenden Hochbauwettbewerbe integriert werden können.“
Die nächste große Herausforderung ist die Ausgrabung der noch verbliebenen 6.500 Quadratmeter, die größtenteils unter der ehemaligen Straße liegen. Diese Arbeiten förderten bereits beeindruckende Zeugnisse der Berliner Stadtgeschichte zutage, darunter mehrere parallel verlaufende Grabenstrukturen aus dem 13. Jahrhundert sowie zahlreiche Brunnen und Latrinen, die die kontinuierliche Versorgung und Entsorgung der Stadt vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit belegen. Diese Funde bieten einen reichen Einblick in die Alltags-, Sozial- und Kulturgeschichte der Berliner Bevölkerung.
Besonders bedeutend ist auch die abgeschlossene Ausgrabung des Elektrizitätswerks, die auf einer Fläche von 4.000 Quadratmetern ein einzigartiges Ensemble aus der Frühzeit der Elektrifizierung dokumentiert. Ein Teil dieses Areals wurde im Boden belassen und soll als Archäologisches Fenster erhalten bleiben, um auf bis zu 1.000 Quadratmetern die Entwicklung Berlins zur „Elektropolis“ erlebbar zu machen.
Auch Relikte jüngerer Geschichte, wie Terrakotta-Friese vom Roten Rathaus, zeugen von den Zerstörungen der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs. Diese und alle anderen Funde werden in die umfassende wissenschaftliche Auswertung einfließen, die an die Grabungsarbeiten anschließt.
Luftbild Anschlussfläche Archäologisches Fenster
mit Blick Richtung S-Bahnbrücke Alexanderplatz.
Foto: BA-FK Berlin