29. März 2024

Königgsstadt und Stralauer Vorstadt

Der historische Kern der Königsstadt nordöstlich des Alexanderplatzes und auch die Stralauer Vorstadt sind nicht mehr erhalten. Der Zweite Weltkrieg verursachte schwere Schäden, später wurden Straßen neu zugeschnitten und die traditionelle Berliner Blockbebauung nicht beibehalten. Historien-Autor Harald Neckelmann erinnert an die Königsstadt und Stralauer Vorstadt, deren Namen heute aus dem allgemeinen Sprachgebrauch verschwunden sind.

Magazinstraße 15/16

Die Magazinstraße erhielt nach 1740 ihren Namen nach dem damals hier gelegenen Stroh- und Heumagazin. Hier lagerte das Futter für die Berliner Garnison und die Spannpferde. Dicht daneben standen die Proviantwagen für einen Teil der Armee in Magazinschuppen. Das Geschäftshaus Nr. 15/16 mit Etagenfabrik ließ Otto Schloß mit einem aufwendig dekorierten Innenhof errichten. Er nutzte es für seine graphische Anstalt und Luxuspapierfabrik und vermietete an kleinere Unternehmen. Im Vergleich zum Jugendstilhof zeigt sich die Pfeilerfassade bis auf das Galeriegeschoss sehr schlicht. Im Hof gliedern Sandsteineinlagen die Glassteinfassaden. Die vier Treppenhausachsen sind durch große Masken in den Schlusssteinen, florale Jugendstilranken, besonders aber durch bekrönte Wappenschilder aus buntem Glasmosaik an jedem Pfeiler geschmückt. Die meisten Wappen sind Adaptionen von Handwerkerzeichen und Freimaurer-Heraldik.

Der aufwendig dekorierte Innenhof in der Magazinstraße 15/16.
Der aufwendig dekorierte Innenhof in der Magazinstraße 15/16.
Foto: Harald Neckelmann
Ifflandstraße 11

Das ehemalige Direktorenwohnhaus (Ifflandstraße 11) des Magareten-Lyzeums ist der einzige erhaltene Teil des von Hermann Blankenstein 1885 fertiggestellten Schulkomplexes. Das Gebäude war früher in die Mietshausbebauung eingebunden. Der Architekt hatte den zweigeschossigen Kopfbau mit den Dienstwohnungen des Direktors und des Hausdieners durch reichen Bauschmuck gegenüber dem nebenliegenden Klassentrakt hervorgehoben. Das Gebäude besitzt die für Blankenstein typische gelbe Sichtziegelfassade. Ihr ausdrucksstärkstes Motiv ist das außerordentlich reich mit blaugrundigen Terrakottatafeln geschmückte Mezzaningeschoss, über dem ein ausladendes Kranzgesims den Bau abschließt. Mit der klaren kubischen Form des Gebäudes sowie der ausschließlichen Verwendung von Backstein und Terrakottaschmuck für die Fassadengestaltung steht das Wohnhaus in der bis auf Karl Friedrich Schinkel zurückgehenden Tradition des spätklassizistischen Ziegelbaus, von der die öffentliche Architektur in Berlin bis ins späte 19. Jahrhundert geprägt war. Heute gehört das ehemalige Direktorenwohnhaus zum Max-Planck-Gymnasium.

Das frühere Direktorenwohnhaus des Magareten-Lyzeums.
Das frühere Direktorenwohnhaus des Magareten-Lyzeums.               Foto: Harald Neckelmann
Bernhard-Weiß-Straße 6

Die ehemalige Karstadt-Hauptverwaltung entwarf 1931 Philipp Schaefer. Für den Umzug von Hamburg nach Berlin ließ der Konzern das damals größte Bürogebäude Berlins mit neun Höfen bauen. Die 32 Meter hohe Hauptfassade ist mit Tuffstein verkleidet. Mehr als 1.000 Menschen arbeiteten hier. Der Eisenbetonbau mit Massivdecken diente nicht nur als Bürohaus, sondern auch als Lager: Drei Höfe waren befahrbar. Auch hier führte die Weltwirtschaftskrise dazu, dass schließlich ein kleineres Gebäude am Fehrbelliner Platz gebaut wurde. Am Alexanderplatz zog 1936 das Statistische Reichsamt ein. Diese Behörde führte Judenzählungen durch und sammelte zentrale Informationen für die Kriegsführung.

Die lange Fassade des Karstadt-Baus 1932.
Die lange Fassade des Karstadt-Baus 1932.

Im Krieg wurde etwa ein Drittel des Gebäudes zerstört, nämlich der Abschnitt auf der linken Turmseite. Deshalb befindet sich der ursprüngliche Mittelrisalit heute auf der linken Gebäudeseite. Der zerstörte Teil des Hauses wurde durch einen Plattenbau ersetzt. 1945 zogen Polizeidienststellen ein, von 1949 bis 1990 das Präsidium (das ehemalige Polizeipräsidium in der Dircksenstraße war kriegszerstört), eine Untersuchungshaftanstalt und die Zentrale des Mauerbaus. 1949 erfolgte der Bau eines siebengeschossigen Polizeigefängnisses anstelle eines kriegszerstörten Gebäudeflügels. Heute befinden sich in dem Gebäudekomplex die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Berliner Immobilienmanagement GmbH sowie weitere Einrichtungen der Polizei.

Die heutige Ansicht der Bernhard-Weiß-Straße 6.

 

Karl-Marx-Allee 3
Haus der Gesundheit, Bundesarchiv, Bild 146-1994-041-25, Fotograf Otto Hoffmann (das Haus steht hinten, mittig)
Haus der Gesundheit in einer alten Ansicht (hinten, mittig).
Foto: Bundesarchiv, Bild 146-1994-041-25, Otto Hoffmann

Das Haus der Gesundheit wurde 1913 als Kaufhaus „Haus am Zentrum“ an der nicht mehr existierenden Landsberger Straße errichtet. Es blieb beim Bau der damaligen Stalinallee nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten und steht leicht quer zum sozialistischen Prachtboulevard. Die Landsberger Straße war die nicht mehr vorhandene westliche Verlängerung der Landsberger Allee. Das fächerförmige Straßenmuster der Königsstadt prägten die Fernhandelsstraßen, die nach Prenzlau, Bernau und Altlandsberg führten. Alle drei Ausfallstraßen endeten auf dem Platz vor dem Georgentor, dem späteren Alexanderplatz.

Die Pfeilerfassade am Haus der Gesundheit aus Sandstein war für die Bauzeit sehr modern. Der zurückhaltende Bauschmuck wurde bei der Wiederherstellung nach Kriegsschäden weiter vereinfacht und das Gebäude um ein Attikageschoss aufgestockt. Im Innern sind viele bauzeitliche Elemente erhalten, so mit Messingblech verkleidete Türen und Stuckmarmor an den Decken. 1948 eröffnete hier die erste Poliklinik Berlins. In dem Gebäude sind verschiedene Ärzte und Gesundheitsdienstleister untergebracht. Vor zwei Jahren zog das Sana-Gesundheitszentrum als Betreiber des Hauses aus. Die Eigentümerin AOK verkaufte die denkmalgeschützte Immobilie an einen privaten Investor aus München.

Das Haus der Gesundheit in der Karl-Marx-Allee 3.
Das Haus der Gesundheit in der Karl-Marx-Allee 3.

 


 

Der Journalist und Autor Harald Neckelmann lebt und arbeitet als Sachbuchautor, Dozent und Stadtführer in Berlin. Er hat bereits mehrere Bücher zur Geschichte und Gegenwart der Stadt veröffentlicht (u. a. „Unter den Linden“, „friedrichstraße berlin“). „Ab durch die Mitte“ führt durch Berlins historische Stadtviertel.

www.haraldneckelmann.de