29. März 2024

Umfrage: Wie veränderte der Mauerfall Ihr Leben?

Der Mauerfall hat aus beiden deutschen Staaten wieder ein Ganzes gemacht.
Der Mauerfall hat aus beiden deutschen Staaten wieder ein Ganzes gemacht.
Grafik: Gordon Johnson/Pixabay

Mauerfall und 30 Jahre Friedliche Revolution – für viele, die das letzte Kapitel der DDR bewusst miterlebt haben, war dies ein oftmals einschneidendes Erlebnis. MITTE bitte!-Redakteurin Elke-Petra Thonke war auf Spurensuche und hat die Menschen nach ihren Erinnerungen und Empfindungen befragt:

Wie haben Sie Mauerfall und Grenzöffnung damals empfunden und was hat sich für Sie persönlich seitdem verändert?

Anette Terpe (57), Musik-Therapeutin

Anette Terpe (57), Musik-Therapeutin
Anette Terpe (57), Musik-Therapeutin

Seit meiner Kindheit lebe ich im Prenzlauer Berg. Die Wende habe ich als Befreiung empfunden. Spontan fällt mir dabei beispielsweise ein: Wenn zu DDR-Zeiten mehrere Personen auf der Straße zusammenstanden, hat man sich schon verdächtig gemacht. Auch wenn sich heute in unserem Bezirk das Zusammenleben Einheimischer mit Zugezogenen mitunter etwas schwieriger gestaltet, so ist doch das Lebensgefühl überwiegend positiv. Es ist hier lebhafter geworden, es ist fast überall viel Grün entstanden und ich fühle mich wohl. Außerdem gab es für mich im Rahmen der Einheit die Möglichkeit, ein Studium als Musik-Therapeutin aufzunehmen. Auch dieses wäre vorher in dieser Form nicht denkbar gewesen und dafür bin ich dankbar.

Jürgen Walter (75), Chansonsänger

Jürgen Walter (75), Chansonsänger
Jürgen Walter (75), Chansonsänger

Am Tag nach der Maueröffnung bummelte ich wie so viele andere durch Berlin-West. Verständlicherweise waren alle euphorisch, sogar mancher Gastronom in Spendierlaune. Ich habe seit 1992 meine eigene Firma gegründet, produziere mich selbst und andere Künstler in der Musikbranche. Schade, dass es noch immer keine wirkliche Einheit Deutschlands gibt. Der Osten ist nach 30 Jahren noch immer nicht gleichauf mit dem Westen. Die Leute werden immer egoistischer, aggressiver und leider auch nicht klüger.

Bruni Tausch (79), Rentnerin

Bruni Tausch (79), Rentnerin
Bruni Tausch (79), Rentnerin

In Charlottenburg wohnend, erfuhren wir am 9. November nachts von Freunden von der Öffnung der Grenzen. Mein Mann und ich waren auf positive Art erschüttert. Es erschien uns zunächst völlig absurd. Am nächsten Morgen folgten wir dem Menschenstrom über die Glienicker Brücke und nachmittags tummelten wir uns auf dem noch brachliegenden Potsdamer Platz, der voller Menschen war. Die erste Zeit nach der Wende war anstrengend. Man spürte Spannungen auf beiden Seiten sowie ein gewisses Durcheinander, jedoch auch Freude. Inzwischen hat sich die Mentalität der Bevölkerung verändert. Es gab die hilfreichen und zugewandten Menschen, bei anderen dagegen war Härte und Aggressivität im Spiel. Die Stadt ist lauter und größer geworden. Ich empfinde es als großes Geschenk, in das reizvolle Umland fahren zu können – wann auch immer!

Jörg Tamke (56), Verwaltungsangestellter

Jörg Tamke ging nach dem Mauerfall als erstes in den Zoo.
Jörg Tamke (56), Verwaltungsangestellter.
Fotos (4): Elke-Petra Thonke

Als die Mauer noch stand, studierte ich an der Humboldt-Universität Geographie. Einer meiner geheimen Wünsche bestand darin, einmal in meinem Leben in Westberlin durch das Elefantentor in den Zoo zu gehen. Kein einziger Gedanke kam in mir auf, dass es einmal eine Wiedervereinigung geben wird. So war dies auch mein erster Gang, als die Mauer fiel. Kurze Zeit später fand ich eine Arbeitsstelle in Charlottenburg. Ziemlich bald mischten sich in meinem Tätigkeitsbereich Kollegen aus Ost und West. Das machte mich sehr neugierig und ich fand es ausgesprochen interessant. Neue Freundschaften entstanden, obwohl nicht alle hielten. In den vergangenen 30 Jahren bin ich in zahlreichen Ländern gewesen. Habe Freud und Leid gesehen, interessante Entdeckungen gemacht und konnte meinen Horizont erweitern. Ich bin glücklich und hoffe, dass ich weiterhin so viel erleben darf.

Till Esser (59), General Manager NH Collection Berlin Friedrichstrasse

Till Esser hat den Mauerfall in Hamburg erlebt.
Till Esser (59), General Manager NH Collection Berlin Friedrichstraße.
Foto: NH Hotels

Ich war damals im Atlantic Hotel Kempinski Hamburg tätig als Director of Marketing & Sales und war noch eine Woche vorher in Berlin (Ost wie West). Man(n) konnte nicht wirklich ahnen, was da eine Woche später passiert. Dann kam die unglaubliche Nachricht, die keiner gewagt hätte zu hoffen: Deutschland wird wieder eins! Ich habe die Bilder in den Nachrichten gesehen und da konnte man nur vor Freude heulen, Weltklasse! Toll, wie dann alles wieder zusammengewachsen ist, was vor dem Mauerfall so lange getrennt war, auch wenn es selbstverständlich Zeit braucht, bis alle Wunden geheilt sind. Seit 2003 lebe ich nun in Berlin und wir genießen die eine großartige Hauptstadt!

Carola Langer (55),

Carola Langer (55), Filialleiterin Viba Shop & Café Berlin
Carola Langer (55), Filialleiterin Viba Shop & Café Berlin

Mauerfall und Grenzöffnung bedeuteten für mich, dass ich von nun an jederzeit meine Oma Gisela, Großtante Hilde und Tante Jutta besuchen konnte, und dass mein Sohn Alex einen wichtigen Teil der Familie kennen lernen durfte. Berufliche Veränderungen und Möglichkeiten taten sich auf und wurden von mir auch in Anspruch genommen. Ich wechselte von der Schneiderei in den Einzelhandel und entdeckte meine Leidenschaft für herzlichen Service, den ich bis heute täglich mit meinen Mädels praktiziere. Und letztendlich fand ich vor einem halben Jahr meinen zukünftigen Ehemann im ehemaligen Westteil der Stadt.


Statement von Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel zum Mauerfalljubiläum:
Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel bei der Arbeit.
Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel.

„Ich kann es manchmal selber kaum glauben: in wenigen Tagen feiern wir den 30.(!) Jahrestag des Mauerfalls. Für Mitte ist das etwas ganz Besonderes, denn Mitte ist neben Friedrichshain-Kreuzberg der einzige Berliner Bezirk, in dem sich danach Teile des alten Ost- und des alten West-Berlins zu etwas Neuem zusammengefunden haben. Alt-Mitte, Wedding und Tiergarten – kurzum Mitte, Kiez und Metropole im Herzen der Hauptstadt! Das ist spannend und schwierig zugleich – aber immer ein Erlebnis. Und mittlerweile ist Mitte ein Bezirk, der in den kommenden beiden Jahren über einen Etat von jeweils rund 1,1 Milliarden Euro verfügen wird. Geld, das Menschen zu Gute kommen soll, die in Mitte leben. Aber auch Geld, mit dem wir die Bezirksverwaltung moderner und serviceorientierter für Bürgerinnen und Bürger machen möchten. Daher freuen wir uns über die Stärkung der bezirklichen Personalausstattung: im Doppelhaushalt stehen Mitte 120 zusätzliche Stellen zur Verfügung.“